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Die Frage, ob die Schuld des Täters ein psychisches Faktum oder aber eine normative Zuschreibung ist, formuliert nicht nur ein theoretisches, sozusagen philosophisches Problem. Sie betrifft zugleich die Praxis der Strafjustiz. Denn an dieser Frage entscheidet sich die Reichweite des strafrechtlichen Schuldprinzips. Unter diesem Gesichtspunkt interessiert uns die Frage im Folgenden. Deshalb zunächst einige Gesichtspunkte zur Bedeutung und Funktion des Schuldprinzips im modernen Strafrecht.
Das Prinzip „keine Strafe ohne Schuld“ gilt zu Recht als einer der zen-tralen Grundsätze eines rechtsstaatlichen Strafrechts. Es steht gleichrangig neben dem anderen großen Prinzip, das im Rechtsstaat die öffentliche Straf-gewalt begrenzt, dem Prinzip „keine Strafe ohne Gesetz“. In Deutschland hat es den Rang einer Verfassungsnorm. Rechtsethisch lässt es sich als Ge-bot der Gerechtigkeit, der Fairness des Staates gegenüber seinen Bürgern rekonstruieren: es wäre unfair, einen Bürger zu bestrafen, der gar nicht in der Lage war, sich an das Gesetz zu halten. Mit dieser rechtsethischen Begründung ist auch der zentrale Gehalt des Schuldprinzips bereits umrissen. Er besagt, dass nur derjenige bestraft werden darf, der die Begehung der Straftat hätte vermeiden können. Denn der Schuldvorwurf setzt voraus, dass wir dem Täter sagen können, was er anders hätte machen sollen. Wenn wir davon ausgehen müssen, dass er gar nicht imstande war, sich anders zu verhalten, dann müssen wir auf den Schuldvorwurf verzichten. |